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Von unsichtbar zu unverzichtbar

Aktualisiert: 12. Juni



Warum Frauen 50+ die Pflege stärken – und was wir daraus lernen müssen


Am heutigen 24. Mai ist unsere Podcast-Folge zum Forschungsprojekt „Von unsichtbar zu unverzichtbar“erschienen, denn wir waren zu Gast beim Übergabe Podcast.

Darin widmen wir uns einer Gruppe, die im öffentlichen Diskurs rund um Pflege und Fachkräftemangel bislang zu wenig Aufmerksamkeit bekommt – Frauen über 50 in der professionellen Pflege.

In einer Zeit, in der das Gesundheitswesen von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und einer zunehmend komplexen Arbeitswelt geprägt ist, braucht es tragende Säulen – und diese finden wir unter anderem in den erfahrenen Pflegefachpersonen 50+. Mit unserem Forschungsprojekt haben wir genau diese Zielgruppe in den Fokus gerückt und wissenschaftlich untersucht, welchen Beitrag sie leistet, welche Herausforderungen sie sieht – und welche Chancen in ihr stecken.


Eine wertvolle Ressource im Schatten

Pflege ist ein weiblich dominierter Beruf. Doch während sich viele Employer-Branding-Kampagnen auf junge Fachkräfte konzentrieren, bleiben Frauen jenseits der 50 oft unsichtbar. Mit unserem Projekt haben wir diese Lücke geschlossen.Ziel war es, diese Pflegekräfte nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch konkrete Empfehlungen für eine altersinklusive Personalpolitik zu formulieren.

Dazu haben Marie-Luise Gaßmann und Prof.in Dr.in Ruth Anna Weber vom Steinbeis-Institut in Marburg ein Mixed-Methods-Design angewendet: 509 Pflegefachpersonen über 50 Jahre aus sechs Einrichtungen wurden befragt – ergänzt durch qualitative Interviews mit Führungskräften und Personalverantwortlichen.


Technikaffin, motiviert, unterschätzt

Eines der auffälligsten Ergebnisse: Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Entgegen weitverbreiteter Annahmen haben viele Frauen 50+ kein Problem mit neuen Technologien – solange sie sinnvoll erklärt und im Arbeitsalltag nützlich sind.

„Ich weiß, dass ich gut bin, aber ich habe aufgehört, es zeigen zu wollen, weil es niemanden interessiert.“ – Marie-Luise Gaßmann

Diese Aussage steht sinnbildlich für das Gefühl vieler befragter Frauen: Sie haben Kompetenzen – aber fühlen sich in ihrem Wert oft nicht gesehen. Dabei zeigen unsere Daten deutlich: Ältere Pflegefachpersonen bringen Erfahrung, Pragmatismus und hohe Lernbereitschaft mit – auch im digitalen Bereich.


Flexibilität kennt kein Alter

Ein weiteres klares Ergebnis: Der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeitmodellen ist kein Thema der jungen Generation allein. Viele Frauen 50+ möchten ihre Arbeitszeiten etwa an die Pflege von Angehörigen oder an Großelternpflichten anpassen können.

Lebensphasenorientierte Personalplanung ist hier der Schlüssel. Sie bedeutet, Mitarbeiter:innen in ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten zu sehen – und zu unterstützen. Strukturelle Angebote für ältere Beschäftigte fehlen jedoch oft noch.



Emotionale Arbeit sichtbar machen

Viele befragte Frauen übernehmen im Team eine stille, aber zentrale Rolle: Sie geben emotionale Stabilität, leiten neue Kolleg:innen an und navigieren souverän durch Krisenzeiten.

„Wir sind loyal, belastbar und empathisch – aber wir wollen nicht nur funktionieren, sondern mitgestalten.“ – Prof. Dr. Ruth Anna Weber

Diese emotionale Arbeit bleibt oft unsichtbar – und wird selten wertgeschätzt. Dabei ist sie ein zentraler Pfeiler funktionierender Pflegeteams. Wir brauchen neue Wege, um diese Leistungen anzuerkennen – finanziell, strukturell und im Arbeitsalltag.


Gesundheitsförderung – bitte ernst gemeint

Gesundheitsförderung muss über Obstkörbe und Rückenschulen hinausgehen. Die Frauen, mit denen wir gesprochen haben, wünschen sich ergonomische Arbeitsplätze, echte Präventionsangebote und eine Kultur, in der Belastung thematisiert werden darf.

Die Erkenntnis: Maßnahmen müssen bedarfsgerecht, individuell und wirklich entlastend sein – nicht symbolisch. Das bietet enormes Innovationspotenzial für ein zukunftsfähiges betriebliches Gesundheitsmanagement.


Altersdiversität ist kein Luxus – sondern Notwendigkeit

Ältere Pflegekräfte bringen Erfahrung, Geduld, Kommunikationsstärke und soziale Kompetenz mit – unverzichtbare Qualitäten für den Umgang mit vulnerablen Patient:innengruppen. In Veränderungsprozessen wie der Digitalisierung oder Umstrukturierung bieten sie zudem Stabilität und Orientierung.

Altersgemischte Teams sind nachweislich erfolgreicher. Wer Vielfalt ernst nimmt, stärkt Qualität und Zukunftsfähigkeit.


Ein Blick über den Tellerrand

Andere Länder zeigen, wie altersinklusive Strategien gelingen können:

  • Kanada: „Older Worker Programs“ unterstützen gezielt die Weiterentwicklung von Beschäftigten ab 50.

  • Niederlande: Netzwerke fördern gezielt ältere Mitarbeitende im Gesundheitswesen.

  • Schweiz: Altersvielfalt wird aktiv gefördert – mit gezielten Angeboten zur Teammoderation.

Diese Beispiele machen Mut – und zeigen: Politische und institutionelle Maßnahmen wirken, wenn sie die Menschen in den Mittelpunkt stellen.


Unsere Empfehlungen an Arbeitgeber:innen

Basierend auf unseren Erkenntnissen möchten wir Einrichtungen im Gesundheitswesen folgende Impulse mitgeben:

  • Sichtbarkeit fördern: Frauen 50+ gezielt in Employer Branding und interner Kommunikation berücksichtigen.

  • Gesundheit ernst nehmen: Maßnahmen individuell, präventiv und alltagsnah gestalten.

  • Weiterbildung ermöglichen: Digitale Kompetenzen und neue Rollenbilder auch älteren Mitarbeitenden barrierefrei zugänglich machen.

  • Flexibilität anbieten: Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle schaffen – mit echter Mitgestaltung.

  • Wertschätzung leben: Lob, Mitsprache und Beteiligung gehören zum Arbeitsalltag.





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